Magic Disk 64

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In der Weihnachtsausgabe  wollen  wir  Ihnen  in  der
Rubrik Hack-Meck ein  besonderes  Thema  liefern.  Es
geht heute um das Thema DFÜ und Kirche.              
Zuerst möchte ich aber die Geschichte erzählen, durch
die ich auf dieses Thema gekommen bin:  Beim  "herum-
stöbern" in deutschen Mailboxen stieß  ich  in  einer
Box auf ein Brett mit dem Namen "Jesus on line".  Der
Titel dieses Brettes  hat  mich  nicht  schlecht  er-
staunt, ist dieses Thema doch in gewisser Weise unge-
wöhnlich. Eine Anfrage beim Sysop schaffte  Klarheit.
Das Brett wird  von  einem  Pfarrer  betreut.  Weiter
stellte sich heraus, daß jener Pfarrer  zwischenzeit-
lich eine eigene Mailbox gegründet hatte.            
Nachdem mir der Sysop auch noch die Rufnummer gegeben
hatte, ließ ich es mir natürlich nicht nehmen, gleich
in dieser, mir bislang unbekannten Mailbox anzurufen.
Die erste positive Eigenschaft war, daß die Box  auch
schon beim ersten Anruf abhob und ich mich nicht erst
durch  den  bekannten  "Besetztzeichendschungel"  des
abendlichen DFÜ-Geschehens kämpfen mußte.            
Die "Jesus on line" oder auch kurz JOL-Mailbox meldet
sich nach erfolgreichem einloggen  mit  einem  Spruch
wie "Ich glaube an Gott und Gott an mich, sonst  wäre
ich nicht online."                                   
Nach dieser Einleitung wird wie gewöhnlich  zu  einer
Username- und Paßwortabfrage verzweigt. Auch die son-
stigen Merkmale  anderer  Mailboxen  sind  vorhanden:
Persönliche Fächer und öffentliche Bretter.          
Jörn Radek, der Sysop der JOL, erklärte uns, wie man 
als Pfarrer zur DFÜ kommt:                           
"Ich bin jetzt 35 und seit ca. 8 Jahren Pfarrer.  Mit
29 entdeckte ich die Baßgitarre und mit 31 den Compu-
ter. Zuerst spielerisch und  mühsam  mit  einem  32K-
DRAGON, später professionell mit einem PC samt  Fest-
platte und jetzt außerdem auf einem AT.  Und  irgend-
wann war es mir zu wenig, nur meine Predigten auf der
Kiste zu schreiben. Ich begann in den  Mailboxen  der
Umgebung anzurufen. Klaus von  der  PC-INFO  richtete
mir ein eigenes Brett ein, und siehe da,  über  90  %
der User interessierten sich für meine Beiträge."    
"Und wie sind Sie dann darauf gekommen,  eine  eigene
Mailbox zu betreiben", wollten wir wissen.           
"Nun, durch den Kontakt zu einigen Mailboxen ergab es
sich, daß ich natürlich auch viel mit  den  Usern  in
diesen Boxen zu tun hatte. Ich schickte z.B.  Predig-
ten, Gedichte, Veranstaltungshinweise und  Fragestel-
lungen aus meiner Praxis in die Bretter.  Gerade  die
sich daraus  ergebenden  Diskussionen  brachten  eine
Menge interessanter  Auseinandersetzungen.  Das  ging
sogar bis hin zur Seelsorge. Sysops aus  dem  Heidel-
berger Raum, Karlsruhe, bis Köln hin zogen meine Bei-
träge in ihre Boxen - was ich gut fand.  Nur  brachte
das mit sich, daß ich mich überall auch noch mit  den
Usern auseinandersetzen sollte. Das wurde  mir  neben
meiner Arbeit im Pfarramt zuviel und auch  zu  teuer.
Deshalb schränkte ich meine Beteiligung ein und über-
legte andere Wege.                                   
Mittlerweile war ich mit Frau, drei Kindern, Hund und
Katze aufs absolute  Land  umgezogen.  Keine  Mailbox
weit und breit! Also reifte die  Idee  einer  eigenen
Mailbox mit Netzwerkanschluß, der den  Einzugsbereich
auf ganz Deutschland erweitert.                      
Gedacht - getan, trotz Veto meiner  Frau  und  unver-
ständigem Lächeln meiner Kollegen. Ein Name war  auch
gleich gefunden: JOL = Jesus on line."               
MD64: "Das klingt ja alles sehr interessant. Ist  die
JOL eine reine 'Pfarrerbox' oder gibt es auch  andere
User?"                                               
Sysop: "Die JOL will Forum sein für die  Auseinander-
setzung und das Gespräch  zwischen  kirchennahen  und
kirchenfremden Usern. Es sind auch  Atheisten  einge-
tragen, mit denen ich einen sehr fruchtbaren  Kontakt
pflege. Die JOL ist offen für jedermann und jede The-
matik, hat aber zum Ziel, gerade  kirchlichen  Mitar-
beitern zu helfen, ihre Arbeit  vorzustellen  und  zu
diskutieren."                                        
MD64: "Böte sich durch dieses Medium nicht  die  Mög-
lichkeit, allgemein Computer und DFÜ  in  die  Arbeit
der Pfarrer bundesweit einzubeziehen?  Wie  reagieren
denn die Vorgesetzen auf eine solche Neuerung?"      
Sysop: "Leider haben meine  Vorgesetzten  noch  nicht
den rechten Sinn für das, was hier möglich ist.  Aber
ich betreibe die JOL auch lieber privat, selbst  wenn
es mich ein paar Mark kostet. So bleibe ich  unabhän-
gig und frei."                                       
MD64: "Was gibt's denn technisches zu der Mailbox  zu
sagen?"                                              
Sysop: "Die Mailbox läuft auf einem PC 20-II von Com-
modore mit 20 MB Harddisk. Online ist sie  erst  seit
1. Oktober 1988. Deswegen sind auch noch nicht  viele
User eingetragen. Momentan habe ich kaum mehr als  10
Anrufer pro Nacht. Online ist die Box  ünbrigens  von
20 bis 6 Uhr früh. Die JOL ist an  das  Zerberus-Netz
angeschlossen (wir berichteten über  dieses  Netz  in
der letzten Ausgabe, Anm.  d.  Red.),  sie  ist  also
bundesweit in  vielen  Zerberus-Mailboxen  durch  das
Brett /Z-NETZ/KIRCHE zu erreichen."                  
MD64: "Bleibt einem als Pfarrer und Sysop dann  über-
haupt noch Zeit für andere Beschäftigungen? Haben Sie
sonst noch Hobbys?"                                  
Sysop: "Da ich meine DFÜ-Tätigkeit ja  jetzt  weitge-
hend auf meine eigene Mailbox beschränken kann,  habe
ich sogar wieder mehr Zeit für meine Hobbys und meine
Familie. Viele Leute  stellen  sich  ja  unter  einem
Pfarrer nur einen Mann in schwarzer  Kutte  vor,  der
außer seiner Arbeit nichts anderes im Sinn hat.  Aber
der Beruf des Pfarrers ist eben auch nur  ein  Beruf.
Natürlich habe ich auch noch andere Hobbys,  die  man
sich sicher auch nicht bei einem  Pfarrer  vorstellen
kann. Bis vor einem Jahr spielte ich E-Baß  in  einer
Rockband. Außerdem bin ich interessiert an  Motorrad-
fahren,  Fotografie,  qualitativ  hochwertiger  Musik
verschiedenster Richtungen und habe wie schon  gesagt
eine Familie  mit  drei  Töchtern,  Hund,  Katze  und
einige Siebenschläfer im Keller."                    
MD64: "Wie  kann man denn die Mailbox erreichen?"    
Sysop: "Ich freue mich über jeden, der den Weg  hier-
her findet. Die JOL ist zu erreichen unter der  Tele-
fonnummer 06753 - 5407. Von 20 bis 6 Uhr."           
MD64: "Wir bedanken uns für dieses Interview."       
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